Sylvester Toulouse
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TOULOUSE Blog

Der Blog für Tanz, Bewegung und Bewusstsein

Ein CI-„Mad"ley

Es jährt sich ein besonderes Element des Toulouse Instituts. Unserer Meinung nach ist dieses Element kaum noch wegzudenken. Wir sind begeistert- immer wieder und immer mehr. Verrückt danach sozusagen... 

Ein Teilnehmer des ersten Kurses formulierte es in etwa so: „Ein paar merkwürdige Typen rollen sich hier und da am Boden, tanzen wie Verliebte und machen komische bis artistische Bewegungen- doch dahinter steckt Konzept!“ Ein ruhiger, präsenter und liebevoller Mann bringt interessierten Menschen die sogenannte „Contact Improvisation“ näher. Tilman ist ein beeindruckender Lehrer, der Achtsamkeit, Sensibilität und Begeisterung für „Contact“ wunderbar ansteckend vereint. Die monatlichen Ankündigungen des Kurses und seines jeweiligen Themas beginnen immer mit den folgenden, berührenden Worten:

Blog 2„Aus achtsamer Wahrnehmung und bewegendem Kontakt erwächst diese freie Tanzform, folgt dem Flow und erblüht in der Individualität und Präsenz ihrer Tänzer.“ - so sieht das Tilman Rickert, der Leiter des monatlichen CI-Kurses. Contact Improvisation ist ein zeitgenössischer Tanz, bei dem es um die aktive Entdeckung der individuellen Bewegungsmöglichkeiten geht, die ein oder mehrere menschliche Körper ausführen können. Diese Tanzform gibt Raum und Zeit für Achtsamkeit und Wahrnehmung, Körperbewusstsein und -intelligenz, Spieltrieb und Forschergeist. Musik kommt dabei zunächst -wenn überhaupt- nur dezent zum Einsatz. Vorkenntnisse in Tanz oder Bewegung sind nicht notwendig.

Anschließend folgen bei den Ankündigungen ein paar philosophisch-verlockende Sätze zum spezifischen Thema. Und die haben es in sich! Tilman bieten dafür eine lyrische Steilvorlage und daraus wird in künstlerisch freier Zusammenarbeit (ja ein der CI-Praxis ganz verwandter Schaffensprozess) ein kleines Wunder. Es fehlt nicht viel und die tanzenden Worte würden zu Gedichten über die „besonderbaren Dimensionen“ des Tanzens. Um diese kleinen Wunder zur herzlichen Anerkennung des ersten gemeinsamen Jahres noch einmal ganz in das Licht der Aufmerksamkeit zu rücken, schenken wir hier den Rahmen:

Es fand seinen Anfang mit „Punkt, Fläche und Raum“. Was im Punkt beginnen kann, zur Fläche ausgedehnt wird und sich schließlich im Raum in die letzte körperlich begreifliche Dimension erstreckt: Das alles kann der Tänzer ergreifen...! Die ungeheure Konzentration der Aufmerksamkeit im Punkt weitet sich in unbeschreibliche Empfindungen von Vollkommenheit und eine Achtsamkeit, die ihresgleichen sucht.

Ob Punkt, Fläche oder Raum - überall findet letztlich Kontakt statt!
„Kontakt und Kommunikation“ ist unser täglich Brot. Sobald wir im Kontakt zu einander stehen, kommunizieren wir, senden und empfangen Informationen - bewusst und unbewusst. Also eigentlich nicht nur überall sondern auch immer!
Im Tanz läuft das natürlich nonverbal ab.
„Wenn wir es schaffen, den Kopf und seine Bilder loszulassen, wird der Tanz zu einer intuitiven Kommunikation der Körper. Je eloquenter dabei ein Körper ist und je facettenreicher der Kontakt, desto bunter ist der Tanz.“, weiß Tilman. Wir können im Tanz unser körpersprachliches Vokabular erweitern, die Körperkommunikation und diverse Kontaktqualitäten untersuchen und ihre Auswirkungen auf den Tanz erfahren. Innerhalb dieser Prozesse erleben wir oft unsere „Durchlässigkeit“…noch so ein Wort, welches mit seinen inhaltlichen Möglichkeiten Bücher füllen könnte…

Aber wie kann man sich denn nun ganz praktisch an solche Dimensionen annähern...?
Im Tanz gibt es eine unendliche Vielzahl von sensorischen, optischen und akustischen Reizen und Impulsen, die uns herausfordert. Im besten Falle lassen wir die alltägliche Gedankenwelt los und versuchen uns für jene intuitive und wortlose Stimme frei zu machen. Es ist ein bisschen wie, einer Suffleuse zu lauschen, die uns immer ganz präsent begleitet. Wenn es gelingt, sich dieser Stimme zu öffnen und sich hinzugeben, werden wir durchlässig für innere und äußere Impulse und landen in einem erfüllenden Bewegungsfluss, der eine Trennung in Impuls und Reaktion nicht mehr kennt.

Blog 1Das Thema „Gewicht & Schwerkraft“ kann ebenso Einblicke schenken, die unsere normale Wahrnehmung beflügeln: Etwas so Alltägliches wie unser Gewicht im freien Spiel mit der eigentlich zwingenden Schwerkraft zu erleben, kann uns solche Flügel verleihen, dass wir die entstehende Freiheit durch die bindende Basis erkennen! Wo wäre die Freiheit, sich über die Schwerkraft zu erheben, ohne Gewicht? Mal ganz abgesehen von der physischen Schwere: Im Grunde ist es doch sogar für den Kopf nachvollziehbar, dass es Momente gibt beziehungsweise wir bewusst Räume gestalten können, die uns jenseits von der Schwere von Bewertungen leben lassen. Räume, in denen wir durchlässig sind und uns für intuitive Strömungen öffnen. Momente, in denen Sorgen losgelassen werden können und Ängste auf einmal den Schrecken verlieren. Wir schauen liebevoll und aufmerksam hin (beziehungsweise dahinter) und sehen den Fluss, den Wandel, die Gewissheit im ewigen Spiel des Sinns- auch „Flow“ genannt. Beim Tanz der Contact Improvisation fokussieren wir zunächst stark auf die Leiblichkeit, weshalb unter Umständen Gedanken viel weniger stark wahrgenommen werden als beispielsweise beim Laufen. Der Flow hat also viele Gesichter, Gefühle kommen und gehen und in ihm fällt es leichter, nicht zu bewerten. Der Vielgesichtige wird oft gefunden beim Tanzen, Malen, Laufen, Kuscheln und auch bei der Geburt eines Kindes.

Ganz im Flow, lassen wir uns an dieser Stelle zum nächsten Thema führen: „Innen und Außen“. Es ist jedes Mal auf's Neue faszinierend, wie spektakulär transzendental die einfache Körperlichkeit sein kann! Denn mein „Innen“ ist dein „Außen“ - und umgekehrt... Und manchmal fühlt sich „mein Außen“ wie „mein Innen“ an, wenn ich durch Empathie und Achtsamkeit erspüre, dass „wir den selben Herzschlag haben“. Spannend wird es, wenn wir uns gleichzeitig als „zwei und doch eins“ erkennen und Innen und Außen sich vermischen...
Verwirrt? Wie soll man denn auch theoretisch beschreiben, was doch am Besten ganz praktisch erfahren werden kann?! Am allerbesten beschreibt es sich aus der Mitte!

„Aus der Mitte in die Bewegung“.
In der Mitte liegt die Kraft.
Aus unserer Mitte heraus handeln wir im Einklang mit unserem Selbst. Wie ist es, sich von diesem Punkt aus in Bewegung zu bringen? Mit mir selbst verbunden zu sein in allem, was ich tue?
Die Mitte (gemeint ist der Bereich um Becken und Bauchnabel) ist in der Contact Improvisation oft Dreh- und Angelpunkt unserer Bewegungen. Mit ihr folgen wir unserem Partner, spüren unseren eigenen Ort im Raum und können uns orientieren, wenn unsere Füße einmal oben sind, der Kopf vielleicht links und die Hände irgendwo dazwischen... Hier können wir leicht Stabilität herstellen, um Gewicht abzugeben oder aufzunehmen.

Die Möglichkeit, der Gegenwart zu begegnen, ist sehr groß, wenn wir uns in der eigenen Mitte befinden - gepaart mit "Nicht Wissen"... Wenn wir diese Haltung einnehmen, dann haben wir die Chance, etwas wirklich Neues zu erfahren. Was wir kennen, weil es in die Schablonen aus bekannten Vorstellungen und Gefühlen passt, kann nicht vergessen, aber doch einmal beiseite gelegt werden (an der Garderobe des Toulouse gibt es extra dafür vorgesehene Haken). Wir können die bekannten Muster ablegen, damit unbekannte Ergebnisse hervorgebracht werden können.
Nicht neu-"gierig" sein- denn jede Gier setzt eine Sehnsucht nach etwas Fehlendem - mit anderen Worten: einen Mangel - voraus. Fokussieren wir aber den Mangel, verweigern wir uns der Gegenwart. Offen sein, gegenwärtig sein - dann kann sich Gegenwart ereignen.
Wie gesagt, klingt das alles gleichsam spannend wie verwirrend. Doch wir haben erlebt, dass diese wundersamen Gedanken und Ideen auf den (Tanz-)Boden der Tatsachen gebracht worden sind. So funktioniert das nämlich in einem CI-Kurs - es ist ein „CI-Laboratory“, ein Forschungszentrum. Der Kurs eröffnet uns den Raum, individuell Bewegungen und Figuren kennenzulernen und daran zu arbeiten. Im technischen Contact-Unterricht werden normalerweise Standardbewegungen frontal vorgestellt und dann wenige Male in der Gruppe eingeübt. Auf sogenannten Jams, also im freiem Tanz, nimmt man sich dann aber selten die Zeit, wirklich in eine Übungsphase einzutreten. Daher kommt das effektive Erlernen der Techniken oft viel zu kurz.
Der Kurs schließt diese Lücke und bringt "Individualität in Bewegung" - und damit sind wir bei unserem Thema des Monats April 2018 angelangt.
Die Bandbreite von Entwicklung ist erstaunlich!!! Von einfacher Horizonterweiterung über die Erfahrung mit Grenzerlebnissen bis hin zum neuen Selbstkonzept- manchmal über Nacht. Alles ist möglich! Der Körper erscheint als Ausdruck der menschlichen Seele - und der Tanz ist seelischer Ausdruck des Körpers.
Bewegungen werden Beobachtungsobjekt.
Was macht meine Bewegung einzigartig, worin unterscheidet sie sich von anderen? Was fühlt sich gut an, was weniger? Gewohnheiten finden und ausreizen (vielleicht auch überreizen) und darüber ganz gemütlich neue Bewegungsräume - ja, Spielräume finden... und sich in diesen Räumen frei bewegen...
Die Achtsamkeit für den eigenen Körper, die inneren und äußeren Impulse, die Sensibilität für Stimmungen -auch zwischen den Tänzern: Das alles ist wundersam und erstaunlich. Merkwürdig! Würdig, bemerkt zu werden! Und all das kann eine Ahnung entstehen lassen für die Begeisterung. Begeisterung für diesen besonderen zeitgenössischen Tanz, der mit so viel Lust an der Freiheit und am Spiel die unzähligen Möglichkeiten erforscht...

Eigene Wahrnehmungen des Inneren wie Äußeren, Kontakt- und Bewegungsqualitäten, Körperkommunikation, Umgang mit Schwere und Beschwerendem und allgemein der achtsame Umgang mit eigenen und fremden Grenzen - verschiedenste Aspekte wurden nun beschrieben. Und diese sind wunderbarerweise vollkommen losgelöst von tänzerischer Vorkenntnis oder gar der körperlichen Konstitution - jeder ist innerhalb seines Rahmens frei!
Und jeder kann mutig sein, diesen Rahmen zu erweitern...
...und sich selbst überraschen!

Contact Improvisation - wo, wenn nicht in einem Zentrum für Tanz, Bewegung, Kreativität und Bewusstheit?!
We are madly in love with Contact!

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Gäste — Gita
also, ich liebe Kontaktimpro und für mich ist es spielerisch, spaßig und achtsam....wenn ich den Text lese derart lang und ausführ... Weiterlesen
Dienstag, 12. Juni 2018 08:31
Roland
Liebe Gita! Zunächst einmal lieben Dank für deinen Kommentar! Es gibt kurze monatliche Ankündigungen zu jedem bevorstehenden Kur... Weiterlesen
Donnerstag, 14. Juni 2018 08:20
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Wir lieben! ...Ein- und Ausdrücke der ersten Wochen...

Ohne Liebe ist alles nichts. Damit könnte sich dieser Beitrag eigentlich schon zufrieden geben, denn es ist alles geschrieben.....

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Wir nutzen dennoch aus gegebenem Anlass die Gelegenheit, ein wenig zu schwelgen und euch daran teilhaben zu lassen:

Seit Beginn des Jahres gibt es nun das neue Tanzformat „Conscious Dancing". Diese Veranstaltung ist ein besonderer Ort tänzerischer Selbsterfahrung und ergänzt die Veranstaltungs-Landschaft des Toulouse Institutes sehr passend.

Die letzten Wochen haben die beteiligten „Reise"-Leiter Michaela, Matthias und Ashish sowie Oliver, der als DJ neben Ashish Abende mit Matthias musikalisch begleitete, unbeschreibliche Erfahrungen machen dürfen- und mit ihnen viele Teilnehmer. Es gab wunderschöne, berührte, zarte, überwältigte, wortlose und wortreiche Rückmeldungen bei den Abschlussrunden -und viele leise, persönliche Gedanken auf den Heimwegen...

Blogbeitrag 14. Februar

Der Fokus der Abende lag sehr unterschiedlich - mal beim Skelett, mal beim Atem. In jedem Fall ermöglichte er allen Beteiligten einen einmaligen Zugang zu teilweise unbekannten (Innen-)Welten. Was auf der Webseite versprochen wird und zunächst einmal vielleicht etwas dramatisch klingt – eine „Reise in ein tiefes Tanzerlebnis" würde angetreten- wird wirklich erlebt!

Nie zuvor hatte eine Teilnehmerin beispielsweise ihren Atem „gleichzeitig als Schlüssel und Schlüsselloch" zu ihrem inneren Wesen erlebt. Sich selbst erkennen und aber auch über Bekanntes hinaus begleiten.... Für ihre Reise nach Innen war dieses Erlebnis sehr zentral und den ganzen Abend über -und danach- auf wundersame Weise spürbar. Sozusagen ein Schlüsselerlebnis. Andere beschrieben „unsichtbare Wände", konnten sich von außen zuschauen, sich neu erleben und ganz neugierig kennenlernen. Aufkommende Fragen, waren zum Beispiel: „Wer tanzt hier eigentlich (wen)?!" -Tanze ich mich selbst? Lasse ich mich von der Musik bewegen? Von Erwartungen? Von meinem Atem?

Ist Ashish Leiter des Conscious Dancing, so führt er die Teilnehmer auf seine ganz persönliche Art direkt in ihren Körper. Meditativen Zustände zu vertiefen ist ihm ein wichtiges Anliegen. Der durch Ashish geöffnete Raum ermöglichte es, dass sich bei einer Teilnehmerin ein erhellender und bewegender „Wechsel der Perspektive" bezüglich einer eingefahrenen, persönlichen Problematik vollziehen konnte.

Oliver war, bevor er einen Abend musikalisch begleitete, selbst mehrmals als Tänzer dabei und ebenso begeistert wie alle anderen. „Durch die TänzerInnen kann eine ziemlich krasse Energie im Raum entstehen, die durch die speziell ausgesuchte Musik zu einer Tieftaucher-Reise weitergeführt wird, wie ich sie sonst nur aus mehrtägigen Workshops kenne."

Wieso hat denn nun Conscious Dancing etwas mit Liebe zu tun?

„Conscious Dancing" lässt sich ganz konkret als Essenz des Toulouse erleben- das Kondensat, welches in der Beatbox lebt, sowie in jedem Winkel der Räume steckt...

Mal abgesehen davon, dass wir Tanzen lieben, und Tanz, Bewegung, Kreativität und Bewusstheit nicht nur drauf steht sondern auch drin ist- abgesehen davon ist das, was den inneren Raum des „Conscious Dancing" bildet und erfüllt, durch liebevolles Sein-Lassen gekennzeichnet.

Manche Grenzen werden aus Angst geschützt, manche hingegen aus Liebe gehalten. Es ist äußerst relevant, die Wahrnehmung dieses Unterschiedes zu schulen. Grenzen und Freiheit müssen sich nicht widersprechen. Dort, wo die Liebe wohnt, gehören die eigenen Grenzen zur eigenen Freiheit- und auch die Grenzen anderer kann die Liebe respektieren...mehr noch- begrüßen und schätzen. Im meditativen, innerlich angeschlossenen Zustand ist dem Reisenden der innere, liebevolle Antrieb klarer und bewusster wahrnehmbar und unterscheidbarer von der Hemmung aus Angst. Beim Tanz bewegen wir uns im besten Fall aus Liebe- und in ihrem Rahmen frei und (selbst) bewusst.

Den Teilnehmern des Conscious Dancing kann früher oder später deutlich werden, dass der Tanz dabei unterstützen kann, achtsam gegenüber den eigenen Bedürfnissen zu sein. Die wertschätzende Atmosphäre, frei von äußeren Bewertungen (durch andere), konfrontiert mit inneren (eigenen) Bewertungen und lädt ein, diese leichter loszulassen. Bewertungen kleben an unserer erlernten Art und Weise zu denken und sie loszulassen will geübt sein. Es lässt sich lernen- am besten spielerisch. Tanzend sozusagen. Auf diese Weise laden wir uns selbst und schließlich auch unsere Umgebung ein- zu einem wahrhaft liebevollen Tanz des Lebens.

In diesem Sinne:

Wir lieben Conscious Dancing!

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